Hinzugefügt am 19.07.2017
„Zerschriftungen“ nennt der tschechische Maler Pavel Richtr seine Arbeiten, meist großformatige Leinwände, die ausschließlich Schrift abbilden. Handschrift, Druckschrift, Schablonenschrift, gesprayte Schrift. Schrift von Rand zu Rand, in zwei, drei, vier Schichten übereinander. Da, wo im Zeichengetümmel einzelne Buchstabenfolgen als Wörter entzifferbar scheinen, ergeben sie keinen Sinn. Richtr achtet sorgsam darauf, dass ihm beim Schreiben nicht etwa zufällig ein verstehbares Wort dazwischen gerät. Nichts soll von dem, worum es ihm geht : von der Schrift als Bild - ablenken.
Bevor Richtr 1969 in die Bundesrepublik emigrierte, verstand er sich als Maler ebenso wie als Schriftsteller. Schrieb Theaterstücke, Essays, Gedichte, schrieb für einen kleinen Kreis junger Intellektueller und - für die Schublade. Seine Texte der Zensur des sich sozialistischen nennenden Regimes vorzulegen, lehnte er als Verrat an seiner Arbeit ab. Genauso zeigt er seine Bilder nur in privaten Atelier- und Wohnzimmerausstellungen.
Erst in Deutschland – fremd im fremden Sprachraum – ließ Richtr ganz vom Schreiben ab, schlug sich irgendwie durch und malte, hatte in den siebziger Jahren seine ersten Ausstellungen in Mainz und Wiesbaden. Wenn er inzwischen seit fast 20 Jahren seine ursprünglich nebeneinander betriebenen Kunstformen symbiotisch vereint, mag das auch an der tschechischen Neigung zum Hintersinn liegen.
Schrift ohne Sprache – Antwort auf eine Welt, die überquillt von medialem Getöse, von Berichten, Nachrichten, Meinungen und Gegenmeinungen, von Pathos und Sprechgeräusch? Eine Welt, die sich in der Schwemme der widerstreitenden Informationen selbst abhanden kommt? Provokation, Protest oder geht es Pavel Richtr um nichts weniger als um Schrift in ihrer Reinform?