Hinzugefügt am 07.05.2008
Eine Plastik steht nicht fest an einem Ort und ein Bild hört nicht am Rand auf.
Ich spreche vom wichtigsten und dem eigentlich wertvollen der Kunst, den Informationen, die Kunstwerke transportieren. Wenn Objekt- oder Konzeptkünstler Installationen aufbauen, die in kein Wohnzimmer passen, dann geht es bei diesen Arbeiten in erster Linie um die Vermittlung von Informationen.
Wenn sie den dekorativen Nutzen suchen und feststellen, dass sich die Werke nicht ohne weiteres in eine Wohnlandschaft integrieren lassen, dann geht es bei diesen Arbeiten um die Vermittlung von Informationen.
Das Objekt, die Installation, ist tatsächlich nur ein Objekt, der Mittler für das wesentliche solcher Kunstwerke, Gedanken in eine Form zu bringen, dadurch transportierbar zu machen und Ihnen, den Kunstbetrachtern, damit die Möglichkeit zu geben, diese Gedanken aufzunehmen, nachzudenken, oder auch ganz eigene Assoziationsketten zu bilden.
Installationen oder Anordnungen aus dem Bereich der Objekt- und Konzeptkunst sind selten Kunstprodukte im üblichen Sinne; also kein Produkt, das Sie sich unter den Arm klemmen und mit nach Hause schleppen können, um es dort irgendwo zu platzieren. Sie sind auch gar nicht für den privaten Gebrauch konzipiert, sondern für den öffentlichen Raum bestimmt. Der Sinn und Nutzen dieser Arbeiten liegt nicht darin, dass sie das Heim eines einzelnen verschönern, sondern dass viele Menschen diese Installation erleben und ihre Informationen aufnehmen.
Ziel dieser Arbeiten ist nicht ein materielles Gut zu schaffen.
Ziel ist es, einen intellektuellen Prozess beim Betrachter auszulösen und Denkanstösse zu geben und da ist auch das eigentlich wertvolle dieser Kunstrichtung zu suchen.
Diese Werke sind für Menschen gemacht, die Spaß am Denken haben und Gedanken werden auch das einzige sein, das Sie, meine verehrten Damen und Herren, heute von hier mitnehmen können. Vielleicht sagen einige von Ihnen, das gab es doch schon immer, oder darum geht es doch ständig, wenn Künstler ihre Werke in der Öffentlichkeit präsentieren. Wir kennen das unter dem Begriff das Bild als Botschaft oder die Botschaft vom Bild. Aber Botschaft und Information sind nicht einfach nur zwei verschiedene Worte für ein und dasselbe; sie meinen auch unterschiedliche Dinge.
Unter dem Begriff Botschaft verstehen wir eine Nachricht, die so existenziell ist, dass sie über einen großen Zeitraum Bedeutung hat und für mehr als ein Menschenleben gültig bleibt. Entsprechend sind auch die Werke der Künstler angelegt, die dieser, die zeit überdauernden Bedeutung ihre künstlerischen Aussage nacheifern. Damit ihre Werke auch in der Zukunft Bestand haben und nicht der Erosion der Zeit anheim fallen, müssen sie Materialien verwenden, die eine lange Lebensdauer gewährleisten (meist Marmor, Stein, Bronze, Metalle und in jüngerer Zeit auch Plastikverbindungen) alles hoch verdichtete Materialien, die die Chance bieten, dass die Werke in 100 Jahren in etwa noch so aussehen, wie zum Entstehungszeitpunkt.
Demgegenüber meine ich mit dem Wort Information eine Nachricht von relativ vergänglicher Natur. Die Vergänglichkeit einer Nachricht oder Information sagt aber nichts über die Bedeutung aus, die diese Nachricht zum Zeitpunkt der Formulierung für die Menschen und die gesellschaftliche Situation hat. Wenn wir von Vergänglichkeit sprechen, regen wir über die Zeit. Unsere Zeit ist sehr schnelllebig, d.h. die Form, die Form der Umgebung, die Form der Alltagsgegenstände verändern sich stark in einem ganz kurzen Zeitraum.
Das hat mit der technischen Entwicklung und Produktion zu tun. Ständig werden neue Formen produziert und nach kurzer Zeit von anderen Modellen abgelöst. Ein Schrank oder ein Stuhl sieht heute nicht mehr aus wie vor 100 Jahren. Sie sehen noch nicht einmal so aus wie vor 40 Jahren und oft sind die Gegenstände auch aus einem Material, das, sagen wir, gab es vor 50 Jahren noch gar nicht . Dann gibt es eine Fülle von Gegenständen und technischen Geräten, die unser Alltagsleben und die persönliche Umgebung teils prägen, bestimmen oder beeinflussen, die gab es vor 30 Jahren noch gar nicht (Computer, elektronische Geräte, Plastikartikel).
Dieser schnelle Formenwandel geht durch alle Lebensbereiche und macht auch vor gr0ßen Themen wie Tod und Liebe nicht halt. Ich denke da z. B. an Tote in Autopolstern oder an die Verbindung Gummi – Fleisch - Aids; wer hätte sich vor 50 Jahren diese Verbindung vorstellen können.
Gleiches gilt für Geschehensabläufe und gesellschaftliche Situationen. Soziale und ästhetische Normen von vor 20/30 Jahren sind auf die 90er Jahre nicht mehr ohne weiteres anzuwenden. Ein Mensch aus dem vorigen Jahrhundert würde sich heute nicht mehr zurecht finden. Er könnte die Gegenstände und Zusammenhänge nicht identifizieren und nicht wieder erkennen.
Jede Zeit hat ihre dominierenden Formen. Egal ob sie das jetzt objektiv geschichtlich betrachten oder individuell und persönlich sehen. Denken Sie einfach an irgendeine Zeit in Ihrem Leben zurück und sie werden sich an Formen und Gegenstände erinnern, die untrennbar mit einem bestimmten Zeitabschnitt verbunden waren. Ja, Sie können sogar an diesen speziellen Gegenständen die Zeit identifizieren und genau abgrenzen, nämlich so lange, wie der Gegenstand dominierend und aktuelle war und die persönliche Lebenssituation mitgeprägt hat, bis er von einem anderen Gegenstand in den Hintergrund gedrängt wurde.
Um einen längeren Zeitraum zu verdeutlichen, könnten Sie Aneinanderreihungen von Gegenständen aufstellen. Wenn es sich bei diesen Gegenständen um Massenprodukte handelt, ist ihre persönliche Zeit auch von anderen Menschen nachvollziehbar, denn die Gegenstände haben mehr oder weniger auch das Leben dieser Menschen bestimmt und beeinflusst.
So können Sie z.B. an einem Unfallfoto am Modell des Fahrzeugs ungefähr auf das Todesjahr des Opfers schließen. Die künstlerische Aussage ist eine formale Information, ein Zeichen.
Sie geht von diesen konkreten Formen und Lebensumständen aus und verpackt die Gedankenerkenntnisse auch wieder in eine konkrete Form.
Die Identifizierbarkeit der Formen spielt eine entscheidende Rolle dafür, ob der Kunstbetrachter die Information aufnehmen und Assoziationsketten bilden kann.
Wenn Kunst sich mit der Realität und aktuellen Lebensprozessen befassen will, muss sie auch mit den aktuellen Erscheinungsformen arbeiten, die ein wieder Erkennen ermöglichen und den Bezug zur Realität eindeutig klarstellen.
Objekt- und Konzeptkünstler haben den Zeitbezug in ihre Arbeit integriert, sie arbeiten nicht für die Ewigkeit und auch nicht für nachfolgende Generationen, sondern das, was wir zu sagen haben, die Zusammenhänge, die wir darstellen, die Information, die wir geben, halten wir im Augenblick für wichtig und nachdenkenswert.
Wie lange diese Aussage Bestand hat oder wie lange die dargestellten Formen aktuelle Bedeutung im Alltagsgeschehen haben , spielt für den Wert und die Wichtigkeit, die diese Information heute hat, keine Rolle, denn nicht nur die Formen zerfallen mit der Zeit, auch die an diese Formen gebundene Aussage und Information verändern sich durch die Zeit.
Diese Erkenntnisse der Faktor Zeit, dass Formen relativ kurze Zeit Bestand haben, und die sich daraus ergebende Sinnlosigkeit, Werke für längere Zeiträume zu konzipieren, spielen im Bereich der Objekt- und Konzeptkunst eine ganz wichtige Rolle.
Diese Erkenntnis hat diese Kunstrichtung von Materialzwängen befreit. Die Haltbarkeit des Objekts, der Plastik oder der Installation sind von untergeordneter Bedeutung für das Werk und seinen Wert. Wir müssen nicht mehr darauf achten, dass das Kunstwerk länger hält, als die Information aktuell ist.
So können wir Materialien verwenden, die sehr empfindlich sind uns sich in kurzer Zeit stark verändern oder ganz und gar auflösen. Theoretisch ist kein Material ausgenommen, künstlerisch verarbeitet und als Informationsträger im Bereich Objekt- / Konzeptkunst verwendet zu werden.
Nicht die Beständigkeit, sondern die Sinnlichkeit und der Informationswert ist ausschlaggebend für die Verwendung in einem Objekt.
Ob Künstler in der Lage sind, ihre Information oder Botschaft rüber zu bringen, hängt entscheidend von der Technik ab. Kunst ist auch immer die Lösung technischer Probleme. Das ist bei klassischen Kunstdisziplinen nicht anders. Nur diese sind an spezielle Materialien und Arbeitstechniken gebunden.
Da Objektkünstler diese Materialbindung und – Ausrichtung nicht haben, sind ihre Techniken auch nicht so eindeutig zu beschreiben. Es ist vielmehr das Kennzeichnen dieser Kunstrichtung, neue zeittypische Materialien zu verwenden, für die der Künstler die Arbeitstechnik erst entwickeln muss. Verschiedene unterschiedliche Materialien miteinander zu verbinden, stellen Objekt- und Installationskünstler oft vor schwierige Aufgaben. Die Lösung dieser Probleme ist Teil der künstlerischen Arbeit und des Prozesses. Der Umgang mit dem Material und die handwerklichen Ergebnisse und das daraus sprechende Materialgefühl sind oft genau so erstaunlich und bewundernswert wie in den klassischen Disziplinen.
Edward Naujok