Was hat Sie dazu inspiriert, Kunst zu schaffen und Künstler zu werden? (Ereignisse, Gefühle, Erfahrungen …)
Zeichnen begleitet mich seit meiner Kindheit – es liegt mir im Blut. Unser Haus war voller kunsthistorischer Bücher, und ich konnte stundenlang darin blättern, jedes Detail studieren und ihre Atmosphäre in mich aufnehmen. Schon mit 18 Jahren wusste ich, dass ich Künstlerin werden wollte. Ich besuchte ein Atelier, das auf die Zulassung zu Kunstuniversitäten vorbereitete. Später bewarb ich mich an der Kiewer Kunstakademie.
Was ist Ihr künstlerischer Hintergrund, mit welchen Techniken und Themen haben Sie bisher experimentiert?
Ich habe eine klassische Kunstausbildung an verschiedenen Institutionen in der Ukraine absolviert. Mein Weg begann mit akademischem Zeichnen und Malen und entwickelte sich allmählich zu expressiver zeitgenössischer Kunst. Im Laufe der Jahre begann ich mehr zu experimentieren – sowohl mit Materialien als auch mit Themen. Ich arbeite mit Acryl, Öl, Grafik, Blattgold, gemischten Medien und integriere manchmal Kalligrafie. Meine Kunst konzentriert sich auf die weibliche Figur, Sinnlichkeit, Verkörperung und innere Freiheit. Ich beschäftige mich auch mit Themen wie Shibari, körperlicher Erfahrung, Ornamentik und Symbolik. Meine Werke sind stets ein Dialog zwischen Form, Emotion und Bedeutung.
Welche drei Aspekte unterscheiden Sie von anderen Künstlern und machen Ihre Arbeit einzigartig?
Sinnlichkeit und der weibliche Körper – In meinen Arbeiten erkunde ich oft die weibliche Form als Quelle der Macht, des Verlangens und der Mythologie, vermeide dabei Vulgarität und bewahre gleichzeitig eine tiefe emotionale Spannung.
Improvisierte Linienführung – ich zeichne fast wie beim Tanzen: intuitiv, wobei ich die Linien durch Bewegung entstehen lasse, ohne vorherige Skizzen, wodurch eine rohe und persönliche Energie entsteht.
Eine Verschmelzung von Modernität und Symbolik – ich verwende alte Bilder, Ornamente und Motive und interpretiere sie in einem zeitgenössischen Kontext neu, um neue Mythen zu schaffen.
Woher kommt Ihre Inspiration?
Alles, was um mich herum geschieht, beeinflusst die Themen meiner Arbeit. Die interessanten Menschen, die ich treffe, werden oft Teil meiner Kunst. Ich lasse mich von freien, offenen und ehrlichen Menschen inspirieren – ich sehe ihre Präsenz in den Linien, spüre ihre Energie und ihren Blick und übertrage das auf die Leinwand. Ich studiere auch gerne die Werke alter Meister wie Gustav Klimt, Raffael und William Morris – ihr Einfluss ist in meinen Kreationen sichtbar.
Was ist Ihr künstlerischer Ansatz? Welche Visionen, Empfindungen oder Gefühle möchten Sie beim Betrachter hervorrufen?
Mein Ansatz ist intuitiv, emotional und tief mit dem Körper verbunden. Ich arbeite oft ohne Skizzen, sodass Form und Linie im Prozess entstehen. Ich möchte, dass der Betrachter die Präsenz des Körpers spürt – die Berührung, die Spannung oder die Zärtlichkeit. Meine Kunst spricht eine Sprache jenseits der Worte, durch die Energie eines Blicks, einer Pose, einer Linie. Ich möchte einen Raum schaffen, in dem der Betrachter seinen eigenen Wünschen, Träumen, seiner Scham oder seinem Gefühl von Freiheit begegnen kann.
Wie läuft der Entstehungsprozess Ihrer Werke ab? Spontan oder mit einem langen Vorbereitungsprozess (technisch, Inspiration aus Kunstklassikern oder anderen)?
Sehr oft entsteht die Idee erst im Prozess selbst – durch Handlung, Interaktion mit Menschen, einen Blick, die Art und Weise, wie Licht den Körper berührt, oder die Kurven einer Figur. Ich arbeite mit lebenden Modellen – sie posieren für mich, und ich gestalte die Form wie mit Ton, suche nach Ausdruck, Fluss und innerer Spannung. Dann beginnt die kreative Phase: Ich skizziere in Procreate, arbeite mit Vorlagen, erstelle Collagen, füge Elemente hinzu und kombiniere sie – und erst dann gehe ich zur Leinwand über. Bei grafischen Arbeiten ist der Prozess anders: Ich nehme einfach Papier und beginne intuitiv zu zeichnen, gebe mich den Eindrücken hin. Oft weiß ich nicht, wie das Endergebnis aussehen wird – ich füge während des Prozesses Elemente hinzu, um der Komposition Balance und Struktur zu verleihen.
Verwenden Sie eine bestimmte Arbeitstechnik? Wenn ja, können Sie diese erklären?
In meinen Gemälden verwende ich je nach Epoche und Stimmung der Serie verschiedene Techniken. In meinen Werken von 2018 habe ich beispielsweise Hintergründe mit flüssigem Acryl gestaltet, die Figuren dann mit dunklen Linien darauf gemalt und nach und nach Glanzlichter und Akzente gesetzt. 2024 habe ich mit einer von der Ikonenmalerei inspirierten Technik gearbeitet: Ich habe den Hintergrund mit strukturierten Linien gestaltet, um dem Gemälde Volumen zu verleihen, Blattgold darüber aufgetragen und die Körper der Figuren mit Öllasur überzogen.
In meinen Arbeiten gehen Hintergrund, Ornament und Zeichnungen auf dem Körper immer ineinander über – manchmal bilden sie Blumen auf der Haut, wie Tätowierungen.
In meinen grafischen Arbeiten arbeite ich gerne mit Tinte und antiken Federhaltern – ich genieße es, wie die Unvollkommenheit der Linie ihre Präzision stört. Sowohl in der Malerei als auch in der Grafik füge ich am Ende oft Blattgold hinzu – für mich ist es nicht nur ein dekoratives Element, sondern auch eine symbolische, strahlende Schicht.
Insgesamt liebe ich es, mit Techniken zu experimentieren und jedes Mal etwas Neues hinzuzufügen.
Gibt es innovative Aspekte in Ihrer Arbeit? Können Sie uns sagen, welche?
Die Innovation meiner Arbeit liegt nicht so sehr in der Technologie, sondern in der Art und Weise, wie ich Inhalt, Form und Ansatz kombiniere. Ich erkunde Themen, die früher oft als tabu galten: Verkörperung, Erotik, Shibari und weibliche Sinnlichkeit – und präsentiere sie dennoch behutsam und mit tiefem Respekt für Körper und Emotionen. Innovativ ist auch, wie ich traditionelle Elemente wie Blattgold und ornamentale Motive mit einer zeitgenössischen Vision der Figur kombiniere.
Ich verwende Modelle als „lebende Skulpturen“, mit denen ich intuitiv arbeite, wobei ich oft den performativen Prozess dokumentiere und ihn später in Malerei umsetze.
Die Vorbereitungsphase gleicht oft einer Performance, die mich zutiefst inspiriert. Die Fotos vom Prozess betrachte ich zunehmend als bedeutsamen und integralen Bestandteil des kreativen Akts.
Gibt es ein Format oder Medium, mit dem Sie am besten zurechtkommen? Wenn ja, warum?
Ich arbeite gerne mit verschiedenen Techniken – ich beschränke mich nicht auf ein einziges Format oder Material. Am wohlsten fühle ich mich jedoch, wenn ich genügend Bewegungsfreiheit habe. Deshalb arbeite ich gerne auf mittelgroßen und großen Leinwänden. Sie ermöglichen es mir, mit meinem Körper zu denken und Linien frei auszudrücken, fast wie beim Tanzen. Ich kombiniere Malerei und Zeichnung: Acryl, Öl, Tinte und Blattgold. Jedes Medium eröffnet neue Möglichkeiten, und in ihrer Kombination erlebe ich die größte kreative Freiheit.
Wo entstehen Ihre Werke? Zu Hause, in einer Gemeinschaftswerkstatt oder in Ihrer eigenen Werkstatt? Und wie organisieren Sie dort Ihre kreative Arbeit?
Ich arbeite in meinem Atelier, das gleichzeitig Teil meines Zuhauses ist. Es ist ein intimer und sehr persönlicher Raum, in dem ich mich frei fühle. Alles hier ist von Kunst durchdrungen – unvollendete Werke, Skizzen an den Wänden, Farbe auf meiner Schürze und Berührungsspuren auf jeder Oberfläche. Mein Atelier bietet Platz für große Leinwände (und es werden immer mehr!) sowie für grafische Arbeiten.
Ich habe einen großen Tisch, an dem ich mit meinem Computer arbeite, digitale Skizzen erstelle und grafische Arbeiten zeichne. Meine Farben und meine Palette sind immer griffbereit. Ich habe eine Katze, die alles neugierig verfolgt – besonders, wenn ich Blattgold auftrage. Sie sitzt in der Nähe und ist fasziniert von den goldenen Reflexen.
Mein Atelier befindet sich in der Altstadt von Barcelona. Einmal im Jahr nehme ich an den Open Studio Days in Barcelona teil und öffne meine Türen für neue Besucher.
Reisen Sie aufgrund Ihrer Arbeit, um neue Sammler kennenzulernen, Messen oder Ausstellungen zu besuchen? Wenn ja, was bringt Ihnen das?
Als ich anfing, reisten meine Bilder ohne mich um die Welt. 2013 besuchte ich zum ersten Mal persönlich eine internationale Ausstellung – die International Ukrainian Art Exhibition in der Artpeople Gallery in San Francisco. Der Bürgermeister der Stadt unterstützte mich finanziell, und da wurde mir klar, wie wichtig es für den Künstler ist, präsent zu sein – über seine Arbeit zu sprechen, seine Geschichte zu teilen und direkt mit Sammlern und Betrachtern in Kontakt zu treten.
Seitdem bin ich regelmäßig unterwegs und nehme an internationalen Ausstellungen, Kunstfestivals und Galerieeröffnungen in verschiedenen Ländern teil. Während der Pandemie fand meine Einzelausstellung im Bangkok Centre for Contemporary Art statt, aber ich konnte nicht teilnehmen – die Organisatoren druckten einen lebensgroßen Pappaufsteller von mir, damit die Leute daneben Fotos machen konnten.
Zuletzt war ich vom Seattle Erotic Art Festival zurück – der größten Erotikkunstausstellung der Welt, die Kunstliebhaber aus aller Welt zusammenbringt. Für mich sind solche Veranstaltungen nicht nur die Gelegenheit, meine Arbeiten zu zeigen, sondern auch eine Chance, neue Sammler kennenzulernen, wertvolle Kontakte zu knüpfen und mich mit Kuratoren, Galeristen und dem Publikum auszutauschen. Diese Erfahrungen bereichern meine künstlerische Arbeit stets und eröffnen neue Wege.
Wie stellen Sie sich die Entwicklung Ihrer Arbeit und Ihrer Karriere als Künstler in der Zukunft vor?
Für die Zukunft träume ich von einem eigenen Atelier – einem Raum, in dem ich mir keine Sorgen um Farbspritzer auf Boden und Wände machen muss, in dem ich frei an großen Werken arbeiten kann und einen geeigneten Lagerraum für meine grafischen Arbeiten habe. Momentan ist es in Barcelona schwierig, sich sowohl eine Wohnung als auch ein Atelier zu leisten, deshalb arbeite ich von zu Hause aus. Ich lebe seit drei Jahren hier – ich bin 2022 hierhergezogen, als Russland in die Ukraine einmarschierte und begann, mein Heimatland zu bombardieren.
Beruflich suche ich nach engeren Kooperationen mit Galerien, um mich ganz auf die Kunst konzentrieren zu können. Mein Ziel ist es, nicht mehr so viel Energie in Logistik und Verwaltung zu stecken, sondern mich voll und ganz dem kreativen Prozess zu widmen.
Was ist das Thema, der Stil oder die Technik Ihrer neuesten künstlerischen Produktion?
Meine neuesten Arbeiten – „Celebrate Every Curve“ und „Permission to Be Beautiful“ (118×89 cm, 2025) – sind ein visuelles Manifest der Körperakzeptanz und der Erlaubnis, sich selbst zu sein, ohne sich dafür entschuldigen zu müssen. Diese Werke entstanden aus Gesprächen mit Frauen, aus meiner eigenen Erfahrung und aus dem Wunsch, dem Körper Schönheit zurückzugeben – Schönheit, wie sie wirklich ist: lebendig, unvollkommen und frei.
In „Celebrate Every Curve“ verwende ich das Motiv eines Vorhangs – nicht um zu verbergen, sondern um zu enthüllen, was die Gesellschaft uns zu verbergen gelehrt hat. Raffael öffnete einst Vorhänge für Götter und Heilige – hier öffnet er sich, um etwas Heiliges in sich selbst zu enthüllen: den wahren, lebendigen Körper.
Zwei weibliche Figuren, umhüllt von zarten Bändern, betonen ihre Körperlichkeit. Ihre Ausdrücke sprechen nicht von Scham, sondern von purer Freude am Sein – sie selbst zu sein, ohne Angst in ihrem Körper zu leben. Im Hintergrund deuten verschwommene Gesichter auf Beobachter, eine urteilende Menge oder Symbole sozialer Kontrolle hin – doch diese Blicke haben keine Macht mehr. Die Heldinnen verstecken sich nicht, entschuldigen sich nicht und empfinden keine Scham.
Ich wurde von Michaela Starks Philosophie inspiriert – dass jede Falte eine Geschichte ist, jede Kurve Kunst ist und jeder Teil des Körpers Liebe verdient – sowie von Raphaels heiliger Herangehensweise an die menschliche Form.
Diese Gemälde entstehen in verschiedenen Techniken: Öl, Acryl, Kalligrafie und Goldschrift. Ich arbeite mit Licht- und Schattenkontrasten und improvisierten Linien, die sich wie eine Berührung anfühlen. Dies ist mein persönliches Manifest – Schönheit, die keiner Erlaubnis bedarf.
Können Sie uns von Ihrem wichtigsten Messeerlebnis erzählen?
Jeder empfindet und wählt seine bedeutsamste Ausstellung auf seine eigene Weise... Eine der wichtigsten Ausstellungen meines Lebens fand beispielsweise in meiner Heimatstadt im örtlichen Kunstmuseum statt. Zur Eröffnung kam ein Kaffeeunternehmen aus der Hauptstadt, für das ich eine Verpackung entworfen hatte. Partner einer Gourmet-Boutique servierten Wein, ein neu eröffnetes Sushi-Restaurant verwöhnte die Gäste mit Sashimi, ein Kochkünstler bot süße Köstlichkeiten an und eine Live-Band spielte zu meinen Ehren. Freunde kamen aus verschiedenen Teilen der Ukraine...
Und da ich wusste, dass all das passieren würde, machte ich meinem Partner einen Heiratsantrag. In nur drei Tagen nähte ich mein Kleid, nahm mein sechs Monate altes Baby mit und wir gingen zum Standesamt. Ich zeigte ihnen einen Zeitungsartikel, in dem mein Porträt mit der Überschrift „Mein Mann“ versehen war, und sie stimmten der Trauung zu. Nur drei Leute wussten davon – meine enge Freundin, der Bruder meines Mannes und mein älterer Sohn.
Am Tag der Ausstellungseröffnung haben wir geheiratet und sind dann direkt zur Ausstellung gekommen. Alle waren begeistert.
Es war ein zutiefst emotionaler Moment und diese Ausstellung ist für mich etwas ganz Besonderes.
Beruflich gesehen fand ich einige meiner wichtigsten Ausstellungen im Center Contemporary Art (CCAB) in Bangkok, beim Seattle Erotic Art Festival und auf der Stroke Art Fair in München statt. Es gab viele bemerkenswerte Ausstellungen. Mein kreativer Weg umfasst 25 Jahre – nicht zu kurz, nicht zu lang.
Und der spannendste Teil steht noch bevor.
Wenn Sie ein berühmtes Werk der Kunstgeschichte schaffen könnten, welches würden Sie wählen? Und warum?
Ich möchte nicht das Werk eines anderen geschaffen haben. Ich habe großen Respekt vor dem großen Erbe der Kunstgeschichte, glaube aber, dass jeder Künstler seine eigene Stimme und einzigartige Vision hat.
Die Werke von Gustav Klimt, Raffael, Egon Schiele und Alphonse Mucha inspirieren mich jedoch zutiefst – ihr Sinn für Linien, Ornamente, Licht und den menschlichen Körper berührt mich. Ich möchte ihre Kunstwerke nicht nachbilden, bin aber dankbar, durch meine eigenen mit ihnen in Dialog zu treten.
16. Wenn Sie einen berühmten Künstler (lebend oder tot) zum Abendessen einladen könnten, wer wäre das? Wie würden Sie ihm vorschlagen, den Abend zu verbringen?
Ich würde Gustav Klimt einladen. Nicht zu einem formellen Abendessen, sondern zu einem ruhigen Abend im Atelier – mit einem Glas Wein und Gesprächen über Frauen, Linien, Ornamente und Gold. Ich würde gerne sehen, wie er arbeitet, wie er den Körper, die Emotionen und die Stille zwischen den Pinselstrichen beobachtet.
Wir könnten zusammen vor einer Leinwand sitzen, Gedanken ohne Worte austauschen – durch Blicke, durch Details – und die Kunst für uns sprechen lassen. Und dann könnten wir am Meer spazieren gehen, mehr Wein trinken und nackt im Mondlicht schwimmen. ☾