Hinzugefügt am 13.11.2019
zu schön um wahr zu sein
Kunstfenster Gensbaur, Hofmark, Dießen am Ammersee, Deutschland
Sonntag
1
Dezember
2019
Sonntag
8
Dezember
2019
Martin Gensbaur, „Urfeld“, Öl / HDF, 24 cm x 30 cm, 2019
Elke Jordan – Landschaften
Gregor Netzer – Nekrographie
Martin Gensbaur - Malerei
Ein Herr in feinem Zwirn mit Fliege oder Krawatte und Hut in Begleitung einer ebenso elegant gekleideten zarten Dame tauchen seit einiger Zeit im Raum Landsberg und am Ammersee-Westufer immer dann auf, wenn es um Kunst geht. Dort, wo sich die Kunstinteressierten treffen, sind die beiden jedenfalls nicht weit. Elke Jordan und Gregor Netzer zeigen eigene Arbeiten im Dießener Kunstfenster, im Dialog mit denen des Gastgebers, des Malers Martin Gensbaur in der Ausstellung mit dem Titel „zu schön um wahr zu sein“.
Die Befürchtung lag nahe, dass die drei Schaufenster und die dahinter liegende Werkstatt in der Dießener Hofmark zu klein sein könnten für Elke Jordans großformatige Bilder auf Leinwand. Eigens für das Kunstfenster entstanden neue Arbeiten, weite Landschaften, immer noch groß genug um als Betrachter eintauchen und darin wandern zu können. Wer versucht die Motive zu verorten, wird sich schwertun. Elke Jordan malt nicht den Ammer- oder den Starnberger See. Die weiten Horizonte, Dünen und Polder ihrer Gemälde, finden sich nicht real an der Ostsee oder auf Sylt. Es sind archetypische Bilder aus der Erinnerung. Etwas, was man sieht, wenn man an „Landschaft“ denkt. Vielleicht sind es ja auch Kulissen für einen Film, der für jeden Betrachter ein anderes Drehbuch bereithält. Nicht wahr, aber schön.
Wie hat das wahre Gesicht von Jesus, das „Vera icon“ ausgesehen? Schwierig sich ohne Fotografie ein Bild zu machen. In der Antike behalf man sich mit einem Abdruck. So zumindest berichten es die Legende vom Schweißtuch der Hl. Veronika oder die vom Turiner Grabtuch. Gregor Netzers Arbeiten zeigen Spuren von Tieren, die zum Vorschein kommen, wenn man ihre Haut auf Papier drückt und die Oberfläche mit Graphit bestäubt. Da die Tiere zum Zeitpunkt des Abdrucks nicht mehr lebendig sind, nennt er das Verfahren „Nekrographie“. An der Wand werden sie zu ästhetischen Objekten. Wahr und schön zugleich.
Normalerweise nimmt der passionierte Angler den Fisch, der anschließend auf seinem Teller landet. Für das Kunstfenster hat Netzer einen Hasen nekrographiert, dank Albrecht Dürer in deutschen Wohnzimmern präsent und durch Joseph Beuys, der eine goldene Zarenkrone mit der Gussform eines Schokoladenhasen umgeformt hatte, Symbol der „sozialen Plastik“. Kunst für alle. Nicht nur für die, die sie sich leisten können. Nicht von ungefähr steht Gregor Netzer hinter der Idee in der Landsberger Altstadt einen Kunstautomaten aufzustellen.
Martin Gensbaur stellt den Besucher der Ausstellung auf die Probe. Idyll und Abgrund liegen nah beieinander. Die Bank über dem Walchensee lädt an einem strahlenden Sommertag zum Verweilen ein. Ein Postkartenmotiv. Wäre da nicht auch der Strommast des Kraftwerks. Kleine Fresken auf einem Stück Wand könnten, maltechnisch betrachtet, aus der Decke der nahen Klosterkirche herausgebrochen sein. Doch sie zeigen die Situation vor dem Kunstfenster, wenn man die Tür öffnet, nicht selten ein Inferno. Für alle, welche die gefährliche Engstelle täglich passieren, ein vertrautes Bild im ungewohnten Kontext der Kunst. Verkehrschaos als Lüftlmalerei. Vielleicht wird die Welt ja erträglicher, wenn sie nur schön genug gemalt ist, im „Dießener Himmel“, wie in der Dießener Hofmark. Zu schön um wahr zu sein.
Kunstfenster Diessen, Hofmark 13, www.kunstfenster-diessen.de
Eröffnung am Sonntag, 1. Dezember 2019, um 15 Uhr. Geöffnet: Freitag/Samstag/Sonntag 6., 7., 8. 12., 15-19 Uhr.