Rudi Cotroneo, abwesende Protagonisten

Rudi Cotroneo, abwesende Protagonisten

Olimpia Gaia Martinelli | 15.03.2023 7 Minuten Lesezeit 0 Kommentare
 

"Alles startete bei mir als ich in London in einem Museum Shop ein Buch von den Künstler Richard Hamilton sah. Es war die Arbeit „Interior IV“."

Was hat Sie dazu inspiriert, Kunst zu schaffen und Künstler zu werden? (Ereignisse, Gefühle, Erfahrungen...)

Ich habe schon immer gezeichnet und gemalt. Es war ist immer hauptsächlich eine Beschäftigung mit mir selbst und mit meiner Umwelt. 

Was ist dein künstlerischer Hintergrund, mit welchen Techniken und Themen hast du bisher experimentiert?

Ich habe in London am „Chelsea College of Art and Design”2 Jahre studiert. Bei meiner Rückkehr in Wien, wurde ich an der Universität für angewandte Kunst aufgenommen, wo ich 5 Jahre lang Malerei studiert habe. London hat mich sehr geprägt. Der große kulturelle Austausch hat mir viel gelernt. Es bot sich die Gelegenheit viel neues zu sehen und zu lernen.

Welche 3 Aspekte unterscheiden Sie von anderen Künstlern und machen Ihre Arbeit einzigartig?

Es ist kein Zufall, dass die ProtagonistInnen in meinen Bildern meist physisch abwesend sind, denn ich versuche die Umgebung darzustellen, in der sie sich möglicherweise zum gegebenen Zeitpunkt befunden haben. Ihre Unsichtbarkeit erhöht das Mysterium und die Kunstfertigkeit der Szene, entfernt jedoch den erkennbarsten Aspekt der Figuration aus Werken, die letztendlich etwas vermitteln, was über die Darstellung oder die Sprache hinausgeht.

Ein weiteren wichtigen Aspekte in meine Arbeit ist der Versuch mit verschieden Stile zu arbeiten. Die Bilder wirken auf den ersten Blick figurativ. Doch bei näherer Betrachtung kann man erkennen das die einzelnen Teile konstruiert sind. Manche sind realistisch, andere abstrakt gemalt. Typografische und grafische Elemente kommen in meinen Arbeiten auch oft vor.

 Woher kommt deine Inspiration?

Alles startete bei mir als ich in London in einem Museum Shop ein Buch von den Künstler Richard Hamilton sah. Es war die Arbeit „Interior IV“.

Das Bild bezieht seine Faszination aus der perspektivischen Konstruktion des komponierten Innenraums. Die Organisation des Raumes beschwört eine merkwürdige Stimmung herauf und vermittelt dem Betrachter den Eindruck, als wäre der Raum von verschiedenen Blickpunkten aus nach kubistischem Muster zusammengefügt. 

 So ähnlich versuche ich in meine Arbeiten darzustellen und aufzubauen; Motive aus dem Internet und Zeitschriften werden bei mir aus ihrem Kontext entrissen. Die neu dargestellten Szenen sind Andeutungen einer neuen Geschichte, die ich erzählen will. 

 Was ist dein künstlerischer Ansatz? Welche Visionen, Empfindungen oder Gefühle möchten Sie beim Betrachter hervorrufen?

Es ist mir sehr wichtig, dass die Bilder nicht eindeutig sind. Ich erzähle zwar meine Geschichte, doch der Betrachter soll seine eigene Interpretation haben können. Jeder Mensch hat eine andere Geschichte und interpretiert Bilder auf seiner eigenen Weise.

In meinen Arbeiten versuche ich auch die Frage einzugehen, wie Geschichte konstruiert und interpretiert wird, indem ich versuche Gemälde herzustellen, die sowohl intellektuell möglichst herausfordernd als auch visuell verführerisch sind. 

Nicht nur Bilder, sondern auch die Gegenüberstellung aus Zitaten und Referenzen eines breiten und vielseitigen Themas spiegeln sich in einer Umsetzung des „Cut-and-Paste“ auf der Leinwand wider.  Zusammenhänge zwischen Kunstgeschichte, Politik, Musik, Literatur etc. und meine persönliche Erfahrung und dessen Motive, versuche ich zu verbinden und zu einer neuen Realität zusammenzufügen.  

In meine neuen Gemälde versuche ich eine starke Mischung aus Atmosphäre und Zwischenfall, Alleinsein und Vorzeichen zu schaffen. Die neuen Arbeiten stellen Situationen als psychologische Ereignisse dar und beschreiben Reisen, Transit und Orte wie aus einer existenziellen Perspektive. Zeit- und Ortsgefühl in den Arbeiten, ähnelt dem des modernen Reisenden, der gleichzeitig isoliert und staatenlos, oft leidenschaftslos und doch verletzlich ist. Zufälligkeit und Stase bestimmen oft die Stimmung. Farbe, Form und Zusammensetzung sind angespannt, beabsichtigt und beschreiben, hoffe ich, Momente des geöffneten Bewusstseins.

Wie ist der Entstehungsprozess deiner Werke? Spontan oder mit langem Vorbereitungsprozess (technisch, Inspiration durch Kunstklassiker oder anderes)?

Die Technik, die mich am meisten anspricht, ist die der Kollage. 

Fast alle meine Arbeiten beginnen mit einer Kollage, die danach auf einer Leinwand übersetzt werden. Es entstehen Ölbilder, wo alle einzelnen Teile zu einem Ganzen zusammengefügt werden. 

 Verwenden Sie eine bestimmte Arbeitstechnik? wenn ja, kannst du es erklären?

Die Techniken sind vielfältig. Von Lasurmalerei bis Stempeln, Sand, Kleberund viel mehr, kommt so ziemlich jede Technik zum Einsatz.

 Gibt es innovative Aspekte in Ihrer Arbeit? Können Sie uns sagen, welche?

Ich versuche die anhaltende zeitgenössische Relevanz der Malerei als Mittel der Kommunikation zu zeigen und wie wir die Welt, in der wir leben, erleben. 

Das Collagieren eröffnet unendliche Möglichkeiten der Welterschaffung und reflektiert den Zustand unseres Alltags – bildlich gesprochen. Jeden Tag sind wir einer Bilderflut ausgesetzt. Die digitale Kommunikation ist so rasch und einfach wie noch nie. In wenigen Worten könnte man sagen die Welt sei klein geworden und näher zusammengerückt. Stile und Trends aus aller Welt kommen zusammen und vermischen sich aud die digitalen Plattformen. Tausende Teile ergeben ein vielfältiges Ganzes, sie vermischen sich mit fremden Kulturen und Stilrichtungen.

Das Medium Collage ermöglicht es, neue Wege und Formen des Denkens und Fühlens zu verkörpern.  Mit der Collagetechnik kann man eine Zerlegung von Zeit und Raum erstellen und direkt in eine Dimension der Transformation und der ewigen Veränderungen einsteigen. Das Erstellen von Collagen ist ein vielfältiges, offenes, schnelles, spontanes, anarchisches und mächtiges Werkzeug, mit dem man sich ausdrücken kann. 

Ich versuche in meinen Bildern die Welt in der wir leben zu widerspiegeln. Wir leben in einer sozusagen „Remix-Kultur“. Die DJ-Kultur ist die offensichtliche, die auch schon längst salonfähig geworden ist. Heute ist „copy and paste“ quasi der modus operandi unserer Welt. Wir nehmen das Hosendesign aus den Neunzigern und die Bluse aus den Fünfzigern, klicken uns im Netz von Link zu Link, zitieren, re-tweeten, posten, haben tausende Tabs offen und sind auf fünf Social-Media-Plattformen unterwegs. In unserer Wahrnehmung setzen sich unterschiedliche Elemente zu einem kaleidoskopischen Ganzen zusammen. Einem Ganzen, das sich auf unserer Reise durch Alltag, Netz und Medien ständig verändert. Eine Flut an Informationen und Bildern, die stetig mehr und mehr werden. 

Die Collagetechnik ist das perfekte Werkzeug für einen Künstler, um Dinge durch die Wände der Zeit zu drücken. Gestern, heute und morgen kann man zu einem seltsamen Gebilde mischen. Ich versuche diese „Welt“ zu widerspiegeln.

 Haben Sie ein Format oder Medium, mit dem Sie sich am wohlsten fühlen? wenn ja, warum?

Ich habe schon viele Techniken probiert, doch die die sich am besten bewährt hat ist die Ölmalerei. Kaum eine andere Technik ist so vielfältig und spannend. 

 Wo produzieren Sie Ihre Werke? Zuhause, in einer gemeinsamen Werkstatt oder in Ihrer eigenen Werkstatt? Und wie organisieren Sie in diesem Raum Ihre kreative Arbeit?

Ich habe ein Atelier in Wien. In meinem Atelier bin ich alleine und auch so kann ich auch am besten arbeiten. Ich höre dazu meisten Musik und trinke einen Kaffee. Andere Menschen im Studio würden mich ablenken. Ich brauche den Raum und die Zeit für mich ganz allein. Ich muss mich auf den Prozess, Gedanken und Gefühle fokussieren können.

Führt Ihre Arbeit Sie zu Reisen, um neue Sammler zu treffen, für Messen oder Ausstellungen? Wenn ja, was bringt es dir?

Natürlich. Mit jeder Ausstellung, die ich mache, entstehen neue Bekanntschaften und Freundschaften. Einige Sammler sind sehr treu und verfolgen meine Arbeit schon seit vielen Jahren. Es ist immer eine Freude sie zu Treffen und über die neu entstandenen Arbeiten zu reden. 

 Wie stellen Sie sich die Entwicklung Ihrer Arbeit und Ihrer Karriere als Künstler in der Zukunft vor?

Solange es mir Freude und Spaß macht werde ich natürlich malen. Ich mache mir keinen Druck. Die Kunst ist kein Job sondern ein Bedürfnis. Ich habe hier keine großen Erwartungen.  Wie Martin Kippenberger mal gesagt hat: “Es wird gemalt was auf dem Tisch kommt!“.

 Was ist das Thema, der Stil oder die Technik Ihrer neuesten künstlerischen Produktion?

In den letzten Arbeiten beschäftige ich mich mit „Straßen“. Jeder hat im Leben seinen Weg. Manche sind bergauf und manche bergab. Meisten ist es ein rauf und runter. Die Straßen sind auch lange, Breit, regnerisch, kaputt, sonnig oder dunkel …

Können Sie uns von Ihrem wichtigsten Messeerlebnis erzählen?

Ich war ein paar Male auf der PARALLEL VIENNA. Hier befinden sich viele interessante und aktuelle Positionen zur aktuellen Kunst. Es ist immer spannend mit   andere Kollegen auszustellen und auch zusammen zu arbeiten. Hier habe ich auch neue Kontakte und viele andere Künstler kennen gelernt.

Im KÜNSTLERHAUS Museum Wien, wo ich zu den Mitgliedern gehöre, ist auch sehr spannend. Hier entstehen viele interessante und hochwertige Ausstellungen. Die Kuratoren sind sehr engagiert.

 Wenn du ein berühmtes Werk der Kunstgeschichte hättest schaffen können, welches würdest du wählen? Und warum ?

“The Big Splash” von David Hockney. Warum, weiß ich nicht genau, aber es spricht mich sehr an. 

Wenn du einen berühmten Künstler (tot oder lebendig) zum Abendessen einladen könntest, wer wäre das? Wie würden Sie ihm vorschlagen, den Abend zu verbringen?

Mit Sir William Turner würde ich gerne mal Tee trinken.


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